01. Oktober 2025

Neue Polizeikommissare in den Polizeibehörden

Gratulation mit bitterem Beigeschmack

Heute sind in Niedersachsen die frisch beförderten Polizeikommissarinnen und -kommissaren in den Polizeibehörden angekommen. Als Junge Polizei Niedersachsen gratulieren wir den neuen Kolleginnen und Kollegen herzlich zu ihrem erfolgreichen Abschluss und der damit verbundenen Beförderung. Gleichzeitig müssen wir jedoch mit Sorge feststellen, dass diese erfreulichen Einzelereignisse nicht über die dramatische Gesamtsituation hinwegtäuschen können: Die Personalsituation bei der niedersächsischen Polizei hat längst alarmierende Ausmaße angenommen.

Die Bewerbungskatastrophe - Zahlen, die erschrecken

Während wir heute neue Kolleginnen und Kollegen begrüßen dürfen, offenbaren interne Dokumente eine erschütternde Entwicklung: Die Zahlen der Bewerbungen für den Polizeidienst sind dramatisch eingebrochen. Waren es 2003 noch 7.468 Menschen, die sich für eine Laufbahn bei der niedersächsischen Polizei interessierten, sind es 2024 nur noch 3.487. Ein Rückgang von über 53 Prozent in nur zwei Jahrzehnten zeigt deutlich, wie unattraktiv der Polizeiberuf in unserem Land geworden ist.

Diese Entwicklung führt zwangsläufig dazu, dass heute erheblich weniger neue Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst antreten können als noch vor wenigen Jahren. Der Nachwuchsmangel ist nicht mehr nur eine Prognose – er ist bereits bittere Realität.

Studienabbrüche verschärfen das Problem

Die Situation wird durch eine weitere beunruhigende Entwicklung verschärft: Selbst die wenigen jungen Menschen, die sich noch für das Polizeistudium entscheiden, brechen häufig vorzeitig ab. Von 2015 bis 2021 beendeten 728 von 7.113 Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern ihr Studium nicht erfolgreich. Das entspricht einer Abbruchquote von über zehn Prozent. In einzelnen Jahrgängen lag diese Quote sogar bei über zwölf Prozent, was bedeutet, dass mehr als jeder achte Studierende das begonnene Studium nicht zu Ende führte.

Was als Hoffnung auf dringend benötigten Nachwuchs beginnt, wird somit häufig zur kostspieligen Enttäuschung. Jeder Studienabbrecher ist nicht nur ein persönliches Scheitern, sondern auch ein Verlust für die gesamte Polizei Niedersachsen.

Scheinbare Stabilität verschleiert die Wahrheit

Die Landesregierung verweist gerne auf nominell hohe Personalzahlen von 23.921 Köpfen im Jahr 2025. Diese Statistik verschleiert jedoch die bittere Realität des Polizeialltags. Entscheidend für die tatsächliche Einsatzfähigkeit sind die Vollzeitäquivalente (VZE), die ein realistischeres Bild der verfügbaren Arbeitskraft zeichnen. Hier zeigt sich ein kontinuierlicher Rückgang: Von 22.400 VZE im Jahr 2022 auf nur noch 22.225 VZE im Jahr 2025.

Die Vollzeitquote sinkt stetig, da immer mehr Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit arbeiten, in Elternzeit sind oder krankheitsbedingt ausfallen. Diese Entwicklung führt zu einer schleichenden Verschlechterung der Einsatzfähigkeit, die in den offiziellen Statistiken nicht sichtbar wird.

Mangelverwaltung im Polizeialltag

Die Auswirkungen dieser Personalknappheit sind im täglichen Dienst dramatisch spürbar. Freie Tage werden regelmäßig gestrichen, Überstunden türmen sich auf den Zeitkonten der Kolleginnen und Kollegen, während sich Akten auf den Schreibtischen stapeln. Die Verschiebung von 120 Beamten aus der Bereitschaftspolizei in den Einsatz- und Streifendienst ist symptomatisch für eine Mangelverwaltung, die nur noch Löcher stopft, statt strukturelle Probleme anzugehen.

Eine interne Mitarbeiterbefragung des Innenministeriums ergab, dass sich fast ein Viertel der Polizeibeschäftigten überfordert fühlt. Dieses Alarmsignal darf nicht länger ignoriert werden, denn es gefährdet nicht nur die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Qualität der Polizeiarbeit insgesamt.

Unattraktivität durch mangelnde Wertschätzung

Ein wesentlicher Grund für die sinkende Attraktivität des Polizeiberufs liegt in der unzureichenden finanziellen Anerkennung besonders belastender Dienste. Während andere Bundesländer ihre Wertschätzung für Polizeiarbeit auch durch angemessene Zulagen ausdrücken, hinkt Niedersachsen dramatisch hinterher.

Die Zulagen für Nachtdienst offenbaren das Ausmaß der Benachteiligung unserer Kolleginnen und Kollegen: Thüringen zahlt seit 2024 5,00 Euro pro Stunde, Berlin immerhin 2,97 Euro pro Stunde, und auch die Bundespolizei gewährt 2,30 Euro pro Stunde. Niedersachsen hingegen zahlt lediglich 1,80 Euro pro Stunde – ein beschämend niedriger Betrag für die Belastungen des Nachtdienstes.

Ähnlich ernüchternd ist das Bild bei den Zulagen für Sonn- und Feiertagsdienst: Während Berlin 6,31 Euro pro Stunde zahlt, die Bundespolizei 4,90 Euro und Thüringen 5,00 Euro, müssen sich die niedersächsischen Polizistinnen und Polizisten mit nur 3,20 Euro pro Stunde begnügen.

Forderungen der Gewerkschaften: Schluss mit der Symbolpolitik

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Niedersachsen fordert zu Recht eine pauschale Erhöhung der Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten auf 5 Euro pro Stunde. Diese Forderung ist nicht überzogen – sie ist überfällig und entspricht dem, was unsere Kolleginnen und Kollegen für ihre belastende Arbeit verdienen.

Innenministerin Behrens muss endlich über den Schatten ihrer Haushaltszwänge springen. Ihre Einschätzung, 1.000 zusätzliche Stellen seien "überzogen" und "nicht finanzierbar", zeigt, wie weit die politische Führung von der Realität der Polizeiarbeit entfernt ist. Die Kosten des Nichthandelns werden am Ende deutlich höher sein als die notwendigen Investitionen in Personal und faire Bezahlung.

Ein strukturelles Problem erfordert strukturelle Lösungen

Die Zeit der kosmetischen Korrekturen und warmen Worte ist endgültig vorbei. Niedersachsen steht vor der Wahl: Entweder investiert das Land jetzt nachhaltig in seine Polizei, oder es muss sich später den Vorwurf gefallen lassen, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger fahrlässig aufs Spiel gesetzt zu haben.

Die Lösungen liegen auf der Hand: Sofortige Erhöhung der Zulagen auf mindestens 5 Euro pro Stunde für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste, die von den Gewerkschaften geforderten 1.000 zusätzlichen Stellen bis September sowie strukturelle Reformen im Auswahlverfahren und in der Ausbildung.

Gratulation mit Verantwortung

Während wir den heute ernannten Polizeikommissarinnen und -kommissaren gratulieren und ihnen alles Gute für ihren weiteren Berufsweg wünschen, appellieren wir gleichzeitig an die politisch Verantwortlichen: Sorgen Sie dafür, dass diese motivierten jungen Menschen auch in Zukunft unter fairen und angemessenen Bedingungen arbeiten können.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache – es ist höchste Zeit zu handeln, bevor es zu spät ist!

- Junge Polizei Niedersachsen 

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