10. August 2022

Tarif Blog #1

Ausblick auf die Tarifverhandlungen 2023 – was bleibt vom letzten Abschluss übrig?

Wir schreiben das Jahr 2022 – wir befinden uns inmitten eines 24 Monate laufenden Tarifvertrags und fragen uns, was uns von dem Abschluss übrig bleibt? Was passiert 2023 bei all den globalen Defiziten, die sich ebenso auf einen weiterhin mäßig bezahlten öffentlichen Dienst auswirken? Was können wir machen?

Die Frage nach mehr Geld bleibt in Tarifverhandlungen ein heikles Thema. Bedingt durch unser Wirtschaftssystem können unsere Löhne gar nicht so schnell steigen, wie die Inflation sie an sich herankommen lässt. Doch bei Tarifverhandlungen geht es nicht nur im Centstücke, sondern um alle Arbeitsbedingungen. Mit diesem Thema möchte euch euer neues Tarifteam in einem Blog einführen. Von Zeit zu Zeit werden wir uns bestimmten Fragen annehmen und hierzu Auskünfte bereitstellen. Und der „aktuelle“ Abschluss sowie ein Ausblick auf die nächste Runde machen den Anfang.

Zunächst geht der Blick zurück auf den letzten Herbst, als bis zum 29.11.2021 die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften für 15 Bundesländer einen neuen Tarifvertrag „erstritten.“ 15? Wer es noch nicht weiß: Das Land Hessen gehört dieser Gemeinschaft, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, nicht an und handelt deshalb wie der Bund und die Kommune einen eigenen Tarifvertrag aus.

Was wurde grundsätzlich erreicht? Die Ergebnisse waren erschreckend:

 

-        Laufzeitende: 30.09.2023

-        Nullrunde vom 1.10.2021 bis 30.11.2022

-        2,8 % ab 1.12.2022

-        1.300 € steuerfreie Corona-Einmalzahlung (Auszubildende 650 €)

-        Entgelterhöhung für Auszubildende von 50 – 70 €

-        Zulagenerhöhungen insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich

-        weitere Details siehe Infoportal „Öffentlicher Dienst“

 

Was die Medien nebst einer 14-monatigen Nullrunde doch gerne im Detail vernachlässigen, sind Inhalte, deren Auswirkungen wir nicht erst seit heute spüren. Zunächst werden im Rahmen dieses Vertrages Übernahmeregelungen für Auszubildende ausgesetzt. Also, selbst wenn wir Auszubildende beschäftigten heißt dies noch lange nicht, dass wir in diesem bzw. in einem, zwei oder drei Jahren auch wirklich neue Fachkräfte erhalten werden. Dies ist ein absolutes Armutszeugnis, denn nicht nur die Attraktivität in unserem bundesweit sehr „variablen“ Einkommenssystem arbeitet im öffentlichen Dienst gegen mehr Personal. Diejenigen, die wir beschäftigen könnten wandern nach der Ausbildung getrost Richtung Bund und Kommunen ab? Was haben wir also als Land Niedersachsen, auch in der Polizeiverwaltung, davon? Nichts.

Dann ist da noch das viel weiter heruntergespielte Thema „Arbeitsvorgang.“ Die Arbeitgeberseite beabsichtigt seit längerer Zeit, durch eine neue Definition des Arbeitsvorgangs, sprich der Tarifautomatik, die Tarifbeschäftigten fortan schlechter bezahlen zu wollen. Ausgang war u. a. die Klage einer Beschäftigten in Berlin, welche beim Bundesarbeitsgericht erfolgreich durchgesetzt wurde (Urteil). Doch seitdem versuchen die Arbeitgeberverbände trotzdem, die Tarifautomatik zu verändern.

Die Länder sehen in dem Urteil eine Chance, die Tarifautomatik zu kippen. Denn das BAG beschreibt im Leitsatz ihres Urteils sehr genau, was ein Arbeitsvorgang sein kann. Und auch wenn bei den letzten Tarifverhandlungen der Tenor vorherrschte, dass die „Änderung des Arbeitsvorgang“ gekippt sei, dann sollte man sich das Urteil genauer ansehen. Wenn nämlich Arbeitsvorgänge als „einheitlich“ und nicht „abgrenzbar“ betitelt werden, kann man sehr zügig auf die Idee kommen, einen Arbeitsplatz „aufzuräumen.“ Wir denken, das darf nicht passieren. Einen schönen Artikel findet man auf der dbb-Seite Thüringen.

Und was das für alle von uns bedeutet, sollte klar sein: Lasst euch bei einer Arbeitsplatzbewertung nicht überrumpeln, sondern schaut genau hin, was eure Vorgesetzte oder Vorgesetzter formulieren soll. Das gleiche gilt für die Neubesetzung von Stellen. Im Sinne eurer Kolleg*innen sollten wir dafür Sorge tragen, dass eine Stelle plötzlich „nur noch“ eine E4 anstelle E5 oder E8 anstelle E9a ist. Das Gerangel um schlechtere Bezahlung geht weiter…

Und 2023? Wir sollten davon ausgehen, dass die Verhandlungen früher beginnen, als dies durch Medien und die Arbeitsstelle suggeriert wird. Denn egal, wer in Niedersachsen die neue Finanzministerin oder der neue Finanzminister sein wird – sie oder er werden frühzeitig einen Blick auf das Ende des Tarifvertrages sowie der Haushaltslage und der damit verbundenen Haushaltsplanung für das Jahr 2023 werfen. Da werden intern Weichen gestellt, die wir als Gewerkschaften mitstellen müssen. 2,8 % für die letzten (!) 10 Monate eines zweijährigen Tarifvertrages ist ein Witz!

Was wir also tun können? Wir Tarifbeschäftigten sind gut beraten, wieder mehr auf die Straße zu gehen! Ein Vorteil, den die Arbeitgeberverbände 2021 dank der Corona bedingten Vorsichtsmaßnahmen für sich nutzen konnten. Nichts gegen die Maßnahmen, die uns geschützt haben, doch welchem vernünftig denkenden Menschen kann man es verübeln, dass sie oder er lieber zu Hause geblieben war, anstatt sich dem Risiko einer Infektion hinzugeben? Die Arbeitgeber haben das eiskalt ausgenutzt. Deshalb sollten wir auch digital vorbereitet sein und auf allen möglichen Kanälen auf die Missstände des öffentlichen Dienstes hinweisen.

Und deshalb sollten wir im kommenden Jahr wieder vermehrt streiken – ob analog oder digital. Es ist sicherlich für so manche Kollegin oder Kollegen schwierig zu organisieren (Kinder, pflegebedürftige Eltern, Anfahrt, Kosten uvm.), aber wir sollten zeigen, dass es um mehr geht als 2,8 %! Es geht um die Sicherung unserer Arbeitsplätze, neue Mitarbeiter*innen, mobiles Arbeiten, digitale Transformation, Erholungsurlaub, Sonderzahlungen, Arbeitsbefreiungen, … – es geht um unsere Wertschätzung!

Macht ihr mit? Wir freuen uns.

 

Viele Grüße

euer Tarif-Team der niedersächsischen DPolG

zurück