04. Juni 2020

Keine Gewalt – nicht durch und nicht gegen Polizei!

Der Schock über die Bilder aus den USA ist groß. Ein Polizist, der minutenlang auf dem Nacken eines Afroamerikaners hockt, ihn zu Boden drückt. George Floyd fleht mehrmals "I can't breathe!" - Ich kann nicht atmen. Dann wird er bewusstlos, wenig später ist er tot. Seitdem erleben die USA eine heftige Welle friedlicher und teilweise leider auch gewaltvoller Proteste.

Der Staat zeigt sich als zerrissen und nicht in der Lage, die Spannung zu lösen. Viele Polizeikräfte solidarisieren sich mit den Anliegen der friedlich Demonstrierenden, anderswo eskalieren die Spannungen. Der Präsident gießt Öl ins Feuer. Ähnliches erleben wir auch in Brasilien, wo ebenfalls ein rechtspopulistischer Präsident sein Land zu einem autoritären Staat umbaut und dabei keine Rücksicht auf Minderheiten und Andersdenkende nimmt.

All das kennen wir in Deutschland in dieser Intensität nicht. Unsere Gesellschaft ist eine andere. Der politische Diskurs ist zwar bisweilen angespannt, aber noch hat die Gesellschaft sich nicht in unversöhnliche Blöcke aufgespalten. Trotzdem kennen auch wir hier das Problem von strukturellem Rassismus. Kaum ein Mensch
kann sich davon freimachen, mit Vorurteilen auf andere zuzugehen. Das gilt natürlich auch für Menschen im Polizeidienst.

Es wird in Deutschland schon viel unternommen, um Polizisten und Polizistinnen für ihre eigenen Vorurteile zu sensibilisieren, sie auf besondere Bedürfnisse aufmerksam zu machen, und sie dazu zu bringen, jeden Menschen als das Individuum wahrzunehmen, das er oder sie ist. Dabei gibt es noch viel zu tun, denn das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft erfordert viel gemeinsames Arbeiten und Aufeinanderzugehen. Friedvolles Aufeinanderzugehen betrifft jedoch alle Seiten. Die zunehmende Gewalt gegen Polizeikräfte im Besonderen und gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes insgesamt ist nicht zu tolerieren. Der Respekt und die Diskriminierungsfreiheit, die Bürger und Bürgerinnen zu Recht von Beschäftigten des Staates einfordern, gilt genauso in umgekehrter Richtung!

Dabei ist es das wichtigste, sich gegenseitig zuzuhören. Auf jene zu hören, die Rassismus und Diskriminierung im Alltag erleben. Sei es mein Kollege, der  Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby, der wie selbstverständlich an der Tür des Abgeordnetenrestaurants abgewiesen wurde, weil er aufgrund seiner Hautfarbe doch wohl
kaum Bundestagsabgeordneter sein könne. Oder auch die unzähligen Erlebnisse von Muslimen und Musliminnen sowie Jesiden und Jesidinnen in Niedersachsen, die trotz ihrer jahrzehntelangen Verwurzelung noch immer viel zu häufig mit Vorurteilen zu kämpfen haben.

Deshalb gilt jetzt, mehr denn je: Niemand darf unter Generalverdacht gestellt werden, doch jeder Einzelfall ist einer zu viel. Das gilt für Polizeikräfte und die Bundeswehr genauso wie auch für jeden Anderen und jede Andere. Das ist harte Arbeit. Das ist schmerzhaft. Doch es lohnt sich, denn nur gemeinsam werden wir eine gerechtere Zukunft gestalten können.

Kirsten Lühmann für den Vorstand der DPolG Niedersachsen

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