03. September 2021

Offener Brief der JUNGEN POLIZEI zum Oberschenkelholster

Sehr geehrter Herr Innenminister,

die Antwort der Landesregierung vom 01.06.2021 auf die Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Herrn Dr. Genthe haben wir mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. So erwecken die durch die Landesregierung hervorgebrachten Argumente den Eindruck, lediglich als Nebelkerzen zu dienen, die die wahren Gründe für die Ablehnung der progressiven Oberschenkelholster(OSH) ummanteln sollen.

Gerne möchten wir Ihnen unsere Gedanken für diese These mitteilen und verdeutlichen, weshalb jene Argumentationsführung allenfalls halbherzig niedergeschrieben worden ist.

Zunächst einmal bleibt die am Oberschenkel getragene Schusswaffe in gleichem Maße sichtbar wie an der Hüftkoppel. Jener kleine optische Unterschied führt durchaus nicht dazu, dass den Polizeibeamten und -beamtinnen eine Barriere in der Kommunikation mit dem Bürger geschaffen würde – entscheidend ist nach wie vor das vorbildliche, persönliche Auftreten der eingesetzten Kollegen*innen!

Darüber hinaus kann auch das Argument der Aus-und Fortbildungsintensität für die OSH keine Schlagkraft entfalten. Als alternatives Holster wurde bereits das sog. „Black-Hawk-Holster“ zugelassen, das sich nicht wie das OSH schlichtweg einige Zentimeter tiefer befindet und über die gleichgelagerte Ziehweise der Dienstwaffe, namentlich das schlichte Öffnen des Bügels, verfügt, sondern bei welchem eine gänzlich abgeänderte Finger-Kombination zur Öffnung der Sicherung erforderlich wird. Wenngleich somit das Argument untauglich bleibt, erweist sich das Black-Hawk-Holster zumindest aus einsatztaktischen Gründen als sinnvolle Alternative. 

Bezüglich der Beschädigung der inneren Fahrzeugeinrichtungen lässt sich deutlich feststellen, dass auch Polizeibeamte und -beamtinnen, die, aufgrund der zu engen Sitze für die Trageweise an der Hüfte, in unzumutbarer Schräglage im Funkstreifenwagen sitzen, in aller Regelmäßigkeit mit ihren Dienstwaffen bzw. deren Holstern für Kratzer und Deformierungen an der Mittelkonsole und den Fahrzeugtüren sowie an den Sitzoberflächen sorgen. Jene Beschädigungen sind schlicht unvermeidlich!

Anschaulich wird dieser Umstand auch durch die Publikation der DPolG Niedersachsen vom 14. April 2021 dargestellt: www.dpolg.org/aktuelles/news/32-zentimeter-dpolg-niedersachsen-zum-arbeitsplatz-funkstreifenwagen/

 

Es bleibt der Punkt, der suggeriert, dass die Einsatzkräfte bei der Dienstausübung weniger agil oder gar eingeschränkt sein könnten bzw. dass ein Griff an die Schusswaffe die allgemeine Körperbalance beeinträchtige. Sicherlich sind die Kollegen*innen, durch die an der Koppel mitgeführte Dienstwaffe, nicht vor leichtem Verlust des Gleichgewichts bzw. der Koordination gefeit – dies gilt jedoch für beide Trageweisen. Sowohl die standardisierte als auch die Trageweise im OSH können sich jener durch sie verursachten Einschränkungen nicht entziehen. In den Praxistrainings an der Polizeiakademie wird zudem vermittelt, dass ein Griff an die Waffe am Hüftgürtel zu erheblichem Kontrollverlust über die eigene Körperbalance führen kann. Ferner dürfte sich vis-à-vis auch der Griff an die Körpermitte fixer umsetzen lassen als jener in Richtung des Oberschenkels. Diese Thesen können natürlich nicht wissenschaftlich hinterlegt und auch nicht pauschalisiert werden, lassen jedoch das subjektive Empfinden zu, dass die Trageweise im OSH zumindest keinen Nachteil im Vergleich zum Hüftholster mit sich bringt.

Nun möchten wir nochmals darstellen, weshalb der Einführung der Oberschenkelholster unsere absolute Priorität und Hartnäckigkeit gilt.

Zunächst einmal bemühen wir eine Passage eines bereits am 25. Januar 2018 veröffentlichten Beitrags der DPolG Niedersachsen:

„Das Problem ist nicht neu: Hunderte von Kolleginnen und Kollegen im Einsatz- und Streifendienst beanstanden seit langem, dass die Schusswaffe in den engen Sitzen der Streifenwagen auf den Hüftknochen drückt und es dadurch zu Fehlhaltungen kommt.

Sie wirken sich erwiesenermaßen auf die Knochenstruktur aus und führen zu nicht unerheblichen Rückenbeschwerden.“

Die zahlreichen neueingestellten Polizeikommissare und Polizeikommissarinnen der vergangenen Jahre, die bei unverändert schlechten Beförderungsperspektiven bereits die Last der Pensionierungs-welle für die Landesregierung abfangen müssen, dürfen sich nicht auch noch zusätzlich demselben Schicksal ergeben wie unzählige ihrer lebensälteren Kollegen*innen und sich zusehenden Auges dem sie ereilenden Bandscheibenvorfall unterwerfen.

Gesundheitspräventive Maßnahmen wie sportliche Aktivitäten bleiben nahezu wirkungslos, insofern die Körperhaltung, aufgrund des Hüftholsters, weiterhin beeinträchtigt wird und der Hüftknochen der Druckbelastung fortwährend ausgeliefert bleibt. Bereits bestehende Rückenprobleme können so bestenfalls im Zaum gehalten werden. Zielführende Gesundheitsprävention sieht anders aus und kann so nicht gelingen. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine „Rasenmäherlösung“.

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch folgende Veröffentlichung der DPolG Niedersachsen vom 21. Juni 2021:

www.dpolg.org/aktuelles/news/oberschenkelholster-und-gesundheit-kleine-anfrage-grosse-fragezeichen/

Dass die nachfolgend beispielhaft genannten Polizeien der Länder wie Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie die Bundespolizei fortschrittlicher agieren und die Oberschenkelholster bereits für die Einsatz- und Streifendienste zugelassen haben, wird sich nicht förderlich auf die Auswahl-Entscheidungen potentieller Nachwuchskräfte auswirken. Die Mitbewerber erscheinen nun mal auch in diesem Punkt attraktiver.

Eine Investition in die Gesundheit Ihrer Polizeivollzugsbeamten und –beamtinnen, durch die Zulassung der Oberschenkelholster, kommt Sie außerdem nicht einmal besonders teuer zu stehen: die zu erwartenden Umrüstungskosten wurden in der Antwort Ihrer Landesregierung mit 39,95 Euro für die SFP9 und 63,30 Euro für die P2000 pro Holster beziffert.

Herr Minister, wir, die Junge Polizei, fordern von Ihnen vehement:

Die körperliche Unversehrtheit Ihrer Beamtinnen und Beamten muss Ihnen das größte Anliegen sein! Nehmen Sie die durch das Hüftholster verursachten Gesundheitsschädigungen endlich ernst!  Ersparen Sie der Zukunft der niedersächsischen Polizei diese Qualen! 

 

Die Junge Polizei Niedersachsen vertretend

 

Dennis Maschmeier

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