08. April 2022

Demonstration in Mainz

Erinnerung an die getöteten Kollegen Yasmin und Alexander

Am 31.01.22 wurden unsere Kollegen Yasmin und Alexander aus Kusel, Rheinland-Pfalz, nachts durch einen mit Jagdwaffen und Nachtsichtgerät bewaffneten Täter heimtückisch und ohne Vorwarnung bei einer Fahrzeug- und Personenkontrolle erschossen.

Dieser brutale und rücksichtslose Schusswaffengebrauch bei einem zunächst unscheinbaren „Standardeinsatz“, welcher für die Kollegen und Kolleginnen des Einzeldienstes tägliche Routine ist, hat uns besonders betroffen gemacht, jeder hätte betroffen sein können!

Unter großer Anteilnahme eines großen Teils der Bevölkerung, der Politik und Öffentlichkeit, aber insbesondere aller Polizeibeamten und –innen kam es am 03.02.22 zu einer bundesweiten Schweigeminute und am 21.03.22 zu einer Gedenkfeier unter dem Tenor #ZweiVonUns.

Die Polizeigewerkschaften in Rheinland-Pfalz wollten es hierbei jedoch nicht belassen. Gemeinsam riefen GdP, DPolG und BdK unter dem Motto „In den Farben getrennt. In der Sache vereint!“ in Mainz zu einer Demonstration am 04.04.22 unter Beteiligung von Kollegen:innen aus dem gesamten Bundesgebiet auf. Noch eine Gedenkveranstaltung?

Innenminister Pistorius unterstütze dieses dahingehend, das 4-6 Kollegen:innen pro PD für die Teilnahme freigestellt werden konnten und Unfallschutz gewährt wurde.
Für die PD Lüneburg nahmen PHK Fred Krüger (PI ROW) und PHK Uwe Hesebeck (PI WL) die Gelegenheit wahr, den Kollegen zu gedenken und ihre Solidarität zu demonstrieren.

Treffpunkt war hier um 13:00 Uhr der Ernst-Ludwig-Platz im Schlosspark des Kurfürstlichen Schlosses, gegenüber dem rheinland-pfälzischen Landtag gelegen. Beeindruckend war die Beteiligung aus verschiedenen Bundesländern, wobei wir Nord-Niedersachsen schon den weitesten Weg hinter uns hatten. Vor dem geplanten Aufzug durch die Alt- und Innenstadt kam es zu einer beeindruckenden Schweigeminute, bei der vermutlich alle Kollegen:innen versuchten, sich in die Lage von Yasmin und Alexander zu versetzen, die Betroffenheit war deutlich spürbar. Aber bereits bei den Eingangsstatements wurde deutlich, dass es hierbei heute nicht bleiben sollte.

Während des Aufzuges befanden wir uns plötzlich direkt neben einer relativ geschlossenen Gruppe von Kommissarsanwärtern und –innen. Diese erweckten den offenen Eindruck positiver junger Menschen am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn, mit persönlichen Wünschen, Hoffnungen und Zielen. Sollten dieses gegebenenfalls die Lehrgangskollegen der Yasmin sein? Auch wenn sich dann herausstellte, dass es sich um Anwärter aus dem nahen hessischen Wiesbaden handelte, hinterließ dieser Gedanke plötzlich bei mir einen noch stärkeren emotionalen Kloß im Hals, als die reine Gedenkminute! Abgesehen davon, dass alle meine eigenen Kinder hätten sein können, wie war ich selbst in diesem Alter? Was habe ich  selbst in gefährlichen Situationen im Dienst erlebt, was ist mir erspart geblieben? Was steht den Kollegen:innen angesichts zunehmender Gewalt und Anfeindungen von außen bevor?

Der Aufzug führte auch am Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz (https://www.haus-des-erinnerns-mainz.de/index.php/unser-haus/) vorbei. Den Gedanken des Aufzuges unterstützende wurde hinter dem Fenster in einer Leuchtschrift der Artikel 1 des GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ gezeigt. Im Fenster spiegelten sich gleichzeitig die weißen Mützen der Aufzugsteilnehmer wider. Welche Symbolkraft! Dieses Bild wird mir dauerhaft im Kopf bleiben!

Dieses Thema spielte auf der nachfolgenden Kundgebung der Landesvorsitzenden (in dieser Reihenfolge) bei den Rednern Thomas Meyer (DPolG), Christian Soulier (BdK) und Sabrina Kunz (GdP) die entscheidende Rolle, welche dadurch sehr politisch wurde.
Diese forderten eine ernsthafte Debatte über den Zustand des Rechtsstaates und stellten fest, dass sich Polizei auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt. Einen sehr großen Teil der Reden nahmen die sogenannten Hass-Postings nach der Tötung der Kollegen ein, welche die abscheuliche Tat noch im Internet feierten. Als Konsequenz daraus müsse die Politik dafür Sorge tragen, dass solche Taten auch verfolgbar bleiben, Stichwort Vorratsdatenspeicherung und auch starker Staat.
Dieser Umfang und die Einheitlichkeit der Forderungen aller Vorsitzenden hat mich zunächst überrascht. Aber so sagte der Polizeipräsident Michael Denne in der vielbeachteten Pressekonferenz am Tattag, in der er allseits für seine emotionale Betroffenheit und empathische Art gelobt wurde, „für uns beginnt eine neue Zeitrechnung“. So langsam dämmerte mir, dass hier in RLP tatsächlich eine neue Zeitrechnung begonnen zu haben scheint, was wir uns aus der Entfernung so gar nicht vorstellen und beobachten konnten. Dieses Modell „In den Farben getrennt. In der Sache vereint!“ war nicht nur das Motto, sondern wurde an diesem Tage auch gelebt und sollte sicher nicht nur auf RLP beschränkt bleiben.

Noch eine Gedenkveranstaltung? Es war auch eine kämpferische Veranstaltung, welche die Forderungen für Zukunft definierte, die weite Anreise hatte sich gelohnt.

Uwe Hesebeck

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