Fehlerkultur oder Kulturverfall?
"Zeigen Sie mir jemanden, der noch keinen Fehler gemacht hat, und ich zeige Ihnen einen Menschen, der noch nie etwas geleistet hat." Theodore Roosevelt
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nicht erst in den vergangenen Monaten manifestiert sich der Eindruck, dass man gern über die Polizei spricht aber nicht so gern mit ihr. Bei Einsätzen mit Außenwirkung ist das Handy nicht weit, der Pressevertreter meist besser informiert als die beteiligten Personen selbst. Eine nicht neue, aber doch zunehmend stärker ausgeprägte Unart ist der spontane Tweet, der schnelle Post von Seiten der politischen Polizei-Experten.
Wir stellen uns die Frage, weshalb es scheinbar zum Tagesgeschäft der Politik oder selbsternannter Polizei-Experten gehört und was diese Herangehensweise, um polizeiliches Arbeiten zu bewerten, letzten Endes für Beweggründe und Konsequenzen hat. Es entsteht der Eindruck, dass das schnelle Wort und die hohe Klickzahl wichtiger sind als eine vernünftige Lage-Einschätzung. Dabei ist es gleich, ob wir von einer öffentlichen Auseinandersetzung beispielsweise am Hannoveraner Hauptbahnhof oder von einer Schussabgabe in Stade sprechen. Von diversen Pressevertretern kennen wir das bereits; die Politik hat diesen Weg nun scheinbar auch für sich entdeckt. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, denn unser Berufszweig ist bei allen Uneinigkeiten auf politischer Ebene, mehr als andere auf den Schulterschluss mit der Politik und seinen führenden Entscheidungsträgern angewiesen, um als stabile und starke Exekutivgewalt wirken zu können.
Weiter scheint es ebenfalls angesagt zu sein, Teilhabe zu versprechen und sein Versprechen kurz darauf wieder vergessen zu haben. Die mannigfaltigen Diskussionen auf Landes- und Bundeseben ebben so langsam ab. Schlussendlich weiß jedoch niemand wer was, warum und auf welche Weise untersuchen will. In Niedersachsen sollten die Personalvertretungen und die Gewerkschaften frühzeitig und umfassend in eine Studie einbezogen werden. Davon geblieben ist die Information darüber, dass sowohl Zwischen- als auch Abschlussbericht einer Studie öffentlich diskutiert werden sollen. Partizipation, Vertrauensbildung und Transparenz sehen anders aus!
Des Weiteren wird auch innerbehördlich der Begriff der Fehlerkultur zum geflügelten Wort. Doch was meint man damit eigentlich? Fehlverhalten unter Kollegen und gegenüber dem Bürger? Der produktive Umgang mit nicht ideal abgearbeiteten Fällen und dem daraus resultierenden Lerneffekt? Oder meint man die weit verbreitete Kultur des „Abstrafens“, mitunter durch Beurteilungen? Eine klare Begriffsdefinition scheint es bislang nicht zu geben. In einer modernen und zukunftsorientierten Polizei, die ein Miteinander im kooperativen Modell pflegt, sollte klar sein, dass Fehler zum Leben und somit zum Dienstalltag gehören. Der Lerneffekt ist das entscheidende Kriterium und die Abgrenzung von Fehlern und klaren Verstößen gegen Recht und Gesetz oder allgemein gültige Regeln zwingend notwendig. Eine Fehlerkultur beinhaltet auch immer, nicht allein gelassen zu werden, wenn man einen Fehler macht oder dafür nicht öffentlich diskreditiert zu werden. Genauso gehört dazu, dass eben jene Kultur auch von Dienstvorgesetzten bis nach ganz oben vorgelebt wird.
Wir wollen einen fairen und ehrlichen Umgang miteinander und dort, wo es möglich ist auch mit dem Bürger. Eben genau dies dürfen wir auch gleichermaßen gegenüber politischen Entscheidern und polizeilich Verantwortlichen einfordern.
Bis dahin, bleibt gesund!
Euer
Patrick Seegers