07. Juli 2025

Offener Brief an die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages & das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport

Polizeilicher Auftrag zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Wertschätzung und Rahmenbedingungen dringend anpassen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Polizei in Niedersachsen steht fest auf dem Boden unserer Demokratie. Sie schützt, vermittelt, unterstützt und trägt zur Stabilität unserer Gesellschaft bei. Doch die Rahmenbedingungen, unter denen unsere Kolleginnen und Kollegen ihren Dienst leisten, geraten zunehmend aus dem Gleichgewicht. Dies muss die Politik zur Kenntnis nehmen und endlich handeln.

Während sich die Anforderungen an die Polizei stetig erhöhen – Stichworte wie demokratische Resilienz, Cybercrime, häusliche Gewalt, Einsätze im Kontext gesellschaftlicher Polarisierung, Krisenbewältigung, Terrorabwehr oder präventive Präsenzarbeit seien hier exemplarisch genannt – stagniert die tatsächliche Einsatzfähigkeit unseres Personalkörpers. Zwar wurde die Zahl der Köpfe in den letzten Jahren nicht reduziert, doch die tatsächliche Verfügbarkeit sinkt durch den erfreulichen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Teilzeitmodellen, durch Schwangerschaften, Elternzeiten (auch bei Vätern) und durch die altersbedingte Zunahme von Einschränkungen und gesundheitlichen Belastungen.

Das bedeutet im Ergebnis: Für deutlich mehr und komplexere Aufgaben steht faktisch weniger Personal zur Verfügung.

Hinzu kommt: Der Polizeiberuf, insbesondere im Streifendienst, verliert zunehmend an Attraktivität. Moderne Arbeitsformen wie Homeoffice oder Mobile Working sind hier kaum realisierbar, die Belastung durch Wechselschichten, Wochenend- und Feiertagsdienste, körperliche und psychische Belastungen bleibt extrem hoch. Und während andere Berufsgruppen – wie etwa die Lehrkräfte – nachvollziehbar in die Besoldungsgruppe A13 aufgewertet wurden, bleibt bei der Polizei eine überfällige Anpassung aus.

Ein besonders eklatantes Missverhältnis zeigt sich beispielhaft an der Polizeiinspektion Harburg: Eine Dienstabteilungsleitung mit Besoldungsgruppe A12 trägt dort Verantwortung für rund 15 bewaffnete Vollzugsbeamte und dass nur im Regelbetrieb! In der Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen sogar für die gesamte Inspektion. Für über 260.000 Bürgerinnen und Bürger wird hier mindestens im Bereich der Erstintervention Verantwortung übernommen. Vergleichbares gilt für die mit A11 bewerteten Dienstabteilungsleitungen an den Polizeikommissariaten Winsen (Luhe) und Seevetal. Diese Verantwortung steht in keinem fairen Verhältnis zur Besoldung!

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz – deren Potenzial wir ausdrücklich anerkennen – befindet sich derzeit noch in einem sehr frühen Stadium. Sie kann den Dienst auf der Straße, im Einsatzfahrzeug, bei spontanen Lagen oder im persönlichen Gespräch jedoch keinesfalls ersetzen.

Gleichzeitig fällt es uns immer schwerer, junge, geeignete und motivierte Menschen für diesen Beruf zu begeistern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Lebensentwürfe jüngerer Generationen immer weniger mit der Struktur und den Arbeitsbedingungen im Polizeidienst vereinbar sind. Wenn dann auch noch aktive Kolleginnen und Kollegen ihren Beruf nicht mehr weiterempfehlen könne, ist das ein deutliches Alarmsignal.

„Damit die Polizei auch weiterhin als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird, müssen wir den Anschluss bei Besoldung, Personalentwicklung und Polizeizulagen im Wettbewerb um die besten Köpfe zu unseren Nachbarländern halten. Zusätzlich zu einem neuen Stellenhebungsprogramm wollen wir die Dauer bis zur ersten Beförderung weiter senken.“

Liest sich gut? Stimmt, steht exakt so im aktuellen Koalitionsvertrag! Folgendes übrigens auch:

„Daher stehen wir auch in der nächsten Legislaturperiode für eine gute Bezahlung im öffentlichen Dienst und wollen dessen Attraktivität weiter hervorheben und steigern.“

Eine längst überfällige Neubewertung vieler Dienstposten würde genau dies bewirken!

 

Unsere konkrete Forderung:
Landesweit mindestens 150 zusätzliche Stellen in A13 und 350 zusätzliche Stellen in A12.
Im Verhältnis zu den rund 35.500 Lehrkräften mit A13 ist das ein absolut vertretbarer und notwendiger Schritt! Gleichzeitig würden dadurch jeweils rund 500 zusätzliche Beförderungen in A11 und A10 ermöglicht, ein klarer Gewinn für Motivation und Gerechtigkeit im Dienst.

Zum Vergleich: Das Land Niedersachsen beschäftigt rund 71.000 allgemeinbildende Lehrkräfte aber nur etwa 20.000 Polizeivollzugsbeamte. Von diesen haben landesweit deutlich weniger als 2.000 überhaupt ein Amt in A13, also nicht einmal 10 %!

Unsere Botschaft ist klar:
Wer Leistung fordert, muss auch Perspektiven bieten.
Wir brauchen jetzt ein klares Signal für faire Karrierechancen und einen funktionierenden Beförderungsweg – für alle Besoldungsgruppen!

Dies gilt für jeden Bereich! Die Stellen mit Personalführungsverantwortung in den operativen und ermittelnden Bereichen und den nachgeordneten Stellen.

Die beste Werbung für einen Beruf, sind zufriedene Mitarbeitende!

Eine ehrliche Wertschätzungskultur, die nicht bei Worten stehen bleibt, sondern sich in strukturellen Verbesserungen niederschlägt.

Eine Attraktivitäts-Offensive, um den Polizeiberuf zukunftsfest zu machen, mit besseren Rahmenbedingungen, moderner Personalpolitik und ehrlichem politischem Rückhalt.

Eine politische Anerkennung dafür, dass freiwillige Übernahme von Verantwortung in einem so zentralen Bereich wie der Inneren Sicherheit nicht selbstverständlich ist, sondern einen gerechten Ausgleich erfordert!

Das Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit – objektiv wie subjektiv – ist und bleibt von herausragender Bedeutung für unser Zusammenleben. Es ist Zeit, dass sich die Wertschätzung, die diesem Auftrag gerecht wird, auch in der politischen Wirklichkeit widerspiegelt.

Andernfalls, sehr geehrte Damen und Herren, laufen wir Gefahr, eines der wichtigsten Fundamente unserer Demokratie – eine starke, engagierte und motivierte Polizei – nachhaltig zu schwächen.

Wer sagt, es handele sich um „meine Polizei“, sollte dies auch in Taten ausdrücken. Denn am Ende des Tages werden nicht nur wir als Polizeibeamtinnen und Beamte des Landes Niedersachsen an unseren Taten gemessen, das gilt auch für ihre politischen Entscheidungen.

 

Mit besten Grüßen

René Ritzmann

DPolG Niedersachsen – Polizeiinspektionsverband Harburg

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