05. Juni 2023

Eine schwere Erkrankung

Und plötzlich war alles anders …

Im Juli 2020 bekam ich die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Eine degenerative chronische Nervenkrankheit die die Leitfähigkeit der Nerven zerstört.  Also das Hirn sagt geh, aber die Anweisung kommt nicht in den Beinen an. Einher gehen eine Vielzahl von weiteren Behinderungen. Ich will hier nicht ausschweifend die Krankheit oder Symptome erklären, da gibt es schon reichlich gute Abhandlungen. Außerdem wird die MS nicht umsonst die Krankheit der 1000 Gesichter genannt. 1000 Betroffene heißt auch 1000 verschiedene Verläufe und Symptome.

Warum schreibe ich hier? Erst seit ich selbst betroffen bin, habe ich mich mit dem Thema Behinderungen im (dienstlichen) Alltag beschäftigen müssen. Mir ist es sehr wichtig zu sagen:

Das Leben hört nicht auf – es verändert sich!

Und man ist damit nicht allein. Ich beziehe mich jetzt aber nur auf den dienstlichen Kontext.

Natürlich war ich nach der Diagnose völlig verunsichert. Ja klar, ich in verbeamtet, aber kann ich meinen Beruf noch zufriedenstellend ausüben? Ich bin Sachbearbeiter im Kriminaldienst. Geht das noch? Nachdem ich Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung (SBV) aufgenommen habe, die mich zu Hause besucht und beraten haben, war ich insofern beruhigt, dass ich jetzt nicht auf das Abstellgleis geschoben werde. Ich selbst bin dann kurz darauf, auf meine direkten Vorgesetzten zugegangen. Hierzu besteht keine Verpflichtung, aber ich wollte von Anfang an offen mit meiner Krankheit umgehen – dafür muss man sich ja auch nicht schämen. Meine Vorgesetzten haben super reagiert, mich gefragt wie man die Arbeitsmodalitäten der Krankheit anpassen kann.

Ich habe ausprobiert was mir gut tut. Zum Beispiel habe ich ca. 1,5 Jahre Teilzeit gearbeitet. Das hat zunächst gutgetan, mich aber dann nicht mehr ausgefüllt. Danach habe ich sehr von der neuen Arbeitswelt und dem hybriden Arbeiten profitiert, sodass ich sechs Stunden auf der Dienststelle bin und zwei Stunden zu Hause arbeite. Das deckt sich 1:1 mit meinem Kräftemanagement.

Also hier macht der Arbeitgeber einiges möglich. Aber SBV sowie Arbeitgeber können einem nur helfen, wenn man sie vertrauensvoll beteiligt. Ich habe damit beste Erfahrungen gemacht.

Des Weiteren habe ich mich hinterfragt, ob ich mein Ehrenamt als Vorsitzender des DPolG Direktionsverbands Göttingen weiterhin zu meiner Zufriedenheit ausfüllen kann. Auch hier kann ich nur von positiven Reaktionen berichten. Nach einer kleinen Umstrukturierung und breiterer Aufgabenverteilung gibt es auch hier keine Probleme.

Nur wenn euer Umfeld weiß wie es euch geht, kann man entsprechend reagieren. Aber, das ist nur meine persönliche Erfahrung. Wenn es euch guttut, dass im Stillen mit euch selbst auszumachen ist das euer (richtiger) Weg.

Leider gibt es aber auch noch viele andere Hürden, zum Beispiel in der gesundheitlichen Absicherung. MS heißt vieles ausprobieren. Mein Physiotherapeut sagt: „MS heißt MACH SELBST!“. Es wird aber nicht alles, was einem hilft, von der Beihilfe und Krankenversicherung übernommen. Hier würde ich mir mehr Flexibilität und individuelle Betrachtung wünschen. Zum Beispiel der Eigenbehalt. MS zu haben bedeutet in der Regel einige Medikamente zu nehmen, zur Basistherapie sowie Symptomlinderung. Da kann der Eigenbehalt schon deutlich spürbar sein, und die Befreiung ist u. a. an den Grad der Behinderung (GdB) geknüpft.

Ich selbst nutze seit ein paar Wochen ein neuartiges Hilfsmittel zur Neuromodulation welches von der Krankenkasse und analog mutmaßlich auf der Beihilfestelle kostentechnisch nicht übernommen wird. Und da ich (und eine Vielzahl anderer neurologisch Erkrankter) davon außerordentlich profitieren, müssen diese Kosten (5-stellig) selbst getragen werden. Hier muss die gesundheitliche Absicherung der Kolleginnen und Kollegen neu betrachtet und beurteilt werden. Ich bin gespannt wie es bei mir ausgeht.

 

Das Wichtigste seid ihr. Mit so einer Erkrankung müsst ihr noch achtsamer mit euch sein. Lasst euch dabei unterstützen.

Björn Wiesbaum

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